Rezension "Das ADHS Kaleidsokop"
#1
Das ADHS Kaleidoskop,
State of the Art und bisher nicht beachtete Aspekte von hoher Relevanz
Hrsg.: F. Häßler
Verlag: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
ISBN 978-3-939069-66-9, erschienen 2009
Das Fachbuch wurde von mehreren Autoren verfasst und jeder Autor widmet sich einer speziellen ADHS Problematik, die ausführlich und auf dem aktuellen Stand von 2008 beschrieben wird (Bsp. Zulassung Medikinet adult, Wehrdienst.)
Neben bereits mehrfach veröffentlichten Themen werden auch die noch weniger bekannten Facetten der ADHS angesprochen.
Aus dem Inhalt:
State of the Art | umschriebene Entwicklungsstörungen | Bindung | Bipolare Störungen | KISS-Syndrom | Epilepsie | Sucht | Teenager-Mutterschaft | Elternarbeit | Jugendhilfe | Forensik | Recht |adulte ADHS und Persönlichkeitsstörungen | Behandlungsalternativen | tiergestützte Therapie
In dem von Prof. Dr. med. W. von Suchodoletz verfassten Artikel
ADHS und umschriebene Entwicklungsstörungen wird dargestellt, welche Störungen zu den umschriebenen bzw. spezifischen Entwicklungsstörungen nach ICD 10 gerechnet werden und warum die umschriebenen Entwicklungsstörungen häufig mit ADHS zusammen auftreten.
Neben den Psychischen Auffälligkeiten bei umschriebenen Entwicklungsstörungen,werden Häufigkeit und Art geschildert, die Ursachen psychischer Auffälligkeiten und wie erfolgreich eine medikamentöse Therapie sein kann.
Ein besonders interessantes Kapitel ist ADHS und bipolare Störungen im Kindes- und Jugendalter von Dr.Hellmuth Braun-Scharm.
Gegenwärtig wird immer häufiger intensiv über einen möglichen Zusammenhang zwischen ADHS und bipolarer Störung diskutiert, denn die Diagnose „Bipolare Störung im Kindesalter“ wird vor allem in den USA gestellt und diese derart hohe Anzahl an Diagnosen mag auf uns Europäer irritierend wirken.
Auf europäischer und auf US amerikanischer Seite existieren unterschiedlichen Auffassungen über einen möglichen Zusammenhang von ADHS und bipolaren Störungen, daher sind zusätzliche Untersuchungen sowie eine Fortführung der Diskussion wünschenswert.
Anm.von mir: Laut einer Studie des Massachusetts General Hospital in Boston stellten Ärzte diese Erkrankung bei amerikanischen Kindern in den letzten zehn Jahren 4.000 Mal häufiger fest als vorher und in Europa beurteilt man das vorwiegend als Fehldiagnose.
(Quelle: ARTE „Das Glück aus der Dose“)
In ihrem Artikel ADHS und Epilepsie macht Prof. Dr. med. Christine Ettrich deutlich, dass beide Krankheitsbilder häufig gemeinsam auftreten und der Kombination dieser beiden Störungsbilder bislang zu wenig Beachtung geschenkt wird, obwohl davon auszugehen ist, dass in einer Epilepsie Spezialsprechstunde 25 % der Patienten zusätzlich an einem ADHS leiden (Stollhoff und Schulte-Markwort, 2004).
Entgegen der häufigen Befürchtungen erhöhe eine Behandlung mit Methylphenidat nicht die Anfallsgefahr, stattdessen werden mehr kontrollierte Studien benötigt und zukünftig wird es nötig sein die Beipackzettel von MPH-Präparaten den aktuellen Erkenntnisse anzupassen.
Auch wenn ADHS und Sucht schon seit längerem Beachtung findet, ist der Abschnitt Videospiel und Internet lesenswert.
Internetspiele garantieren bei Erfolg eine unmittelbare Belohnung und so lassen sich soziale und emotionale Defizite zeitweise kompensieren.
Dieses Fluchtverhalten aus der realen in die virtuelle Welt birgt ein hohes Suchtpotenzial in sich, doch lt. Prof. Dr. Häßler entwickelt nur eine kleine Minderheit jemals eine Sucht.
Eltern und Geschwister müssen sich ständig ihrer Model- und Vorbildfunktion bewusst sein und auffälligen Tendenzen, auch außerhalb der Familie z.B. innerhalb der Peer-Group,entgegenwirken.
Anhand verschiedener Studienergebnisse zeigt Dr. med. F. Häßler auf, dass Menschen mit ADHS deutlich gefährdeter seien, süchtig zu werden.
Dr.med. Stephanie Bohne-Suraj und Dr.phil. Olaf Reis weisen in ihrem Abschnitt Teenager-Mutterschaft u.a. auf die „Baby-Kennlern-Zeit“ Projekte verschiedener Kommunen hin (nach amerik. Vorbild) und sie vertreten die Auffassung, dass auch Pädiater darin unterstützt werden sollten ein ADHS bei jungen Müttern in Betracht zu ziehen, so dass ggf. die nötigen Schritte für eine weitere Behandlung veranlasst werden können.
An dieser Stelle wird auf die Bedeutsamkeit der U-Untersuchungen hingewiesen, da die Pädiater auf diesem Weg mit jungen Müttern in Kontakt treten können.
Substanzgebundene Alternativen in der Therapie des ADHS erwecken auf den ersten Blick das Interesse, nicht Wenige werden bestimmt an Homöopathie denken.
Alternativen sind auch Antidepressiva und Neuroleptika, Zink Fettsäuren und Magnesium.
Die aktuelle Studienlage zur medikamentösen Behandlung der ADHS, die Prof. Dr. Häßler hier sehr anschaulich zusammengefasst hat, sagt aus, die Behandlung mit Methylphenidat oder Atomoxetin ist noch immer die Behandlung der Wahl.
Alternative Behandlungsformen zeigten entweder keine nennenswerten Erfolge (z. B. homöopathische Behandlungsformen) oder sie sind der leitlinienkonformen Behandlung deutlich unterlegen. Da jedoch ca. 30% der ADHS-Patienten auf die Behandlung mit Stimulanzien oder Atomoxetin nicht ansprechen, lohne es sich im Einzelfall auf alternative medikamentöse Behandlungen zurückzugreifen.
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Der Titel Kaleidoskop kann in die Irre führen, da er doch eine gewisse Leichtigkeit verspricht.
(Das Kaleidoskop, gr. schöne Formen sehen, ist ein optisches Gerät, das hautsächlich als
Kinderspielzeug bekannt ist.)
Auf Grund der verwendeten medizinischen Fachausdrücke und der vorausgesetzten Kenntnisse um das ADHS ist das sehr wissenschaftlich geschriebene Buch Nicht- Fachleuten nur bedingt oder gar nicht zu empfehlen.
Auf jeden Fall ist es hilfreich, den Pschyrembel und ein Fremdwörterlexikon griffbereit zu haben.
Insgesamt handelt es sich um ein sehr interessantes und vor allem sehr spannendes Fachbuch,
das neue Sichtweisen und Ergebnisse aus der Forschung aufzeigt.
Näheres zum Inhaltsverzeichnis findet ihr bei Amazon oder im GKL Forum >Rubrik Buchtipps > http://www.ads-ev.de/index.php/forum
LG
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