Mobbing in der Schule auflösen ... No Blame Approach

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21.05.2017 20:01 (zuletzt bearbeitet: 21.05.2017 20:02)
avatar  Zottel
#11
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Zitat
Das Zauberwort heißt "artgerechte Haltung".



Ich finde unser komplettes Schulsystem sollte da mal unter die Lupe genommen werden.

Kinder/ Jugendliche werden doch heutzutage generell nicht mehr artgerecht gehalten


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22.05.2017 00:03
#12
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Meine Älteste ist inzwischen 22. Sie war - wen wundert's - auch eine gemobbte Schülerin, die dann letzten Endes die Schule verlassen musste, weil es nicht mehr aushaltbar war. Im Kindergarten war sie noch ein fröhliches und beliebtes Mädchen, aber als sich dann in der Schule zeigte, dass sie "zu" schlau ist, war es aus mit der Unbeschwertheit.

Diese schlimmen Jahre haben sehr tiefe Spuren hinterlassen, sie wirken noch immer nach, und ich könnte im Strahl brechen, wenn ich nur daran denke, was diese widerlichen Mobberweiber ihr angetan haben. Wobei mir bei jedem dieser Mädchen klar war, dass die nur den Druck weitergaben, den sie daheim erfahren haben.

Seitdem sind viele Jahre vergangen. Damals sagte der damalige Schulleiter mir noch bei der Abmeldung, an seiner Schule gebe es kein Mobbing (die Mobberinnen hatten alles zugegeben, aber auf Druck ihrer Eltern widerrufen), meine Tochter sei zu jung, zu zierlich, zu sensibel. Solche blöden Sprüche würde er heute nicht mehr klopfen (dürfen), aber ich bin sicher, alles andere wäre genauso. Nein, schlimmer.

Unsere Gesellschaft ist ein perfekter Nährboden für Mobbing, ich bin sicher, es fängt heutzutage schon im Kindergarten an und ist im Beruf so dermaßen alltäglich, dass es einem graut. Das Internet tut noch ein übriges dazu. Ich bin sehr internetaffin, aber das ist wirklich eine der Schattenseiten.

Kürzlich habe ich mich einfach just for fun auf einer Tussiseite bewusst in einen Shitstorm gestellt. Das Thema war echt pillepalle, aber da kamen Antworten, da fällt einem nichts mehr ein, echt nicht. Wie sollen junge Menschen in so einer Welt denn bestehen?

Sorry, leicht abgeschweift, aber das macht mir wirklich Sorgen.


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22.05.2017 00:12
#13
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Zitat von Mandelkern im Beitrag #12
Unsere Gesellschaft ist ein perfekter Nährboden für Mobbing, ich bin sicher, es fängt heutzutage schon im Kindergarten an ...

Ja, da bin ich leider auch sicher. Und das Mobbing geht dort nicht immer von den anderen Kindern aus.

Zitat von Mandelkern im Beitrag #12
Sorry, leicht abgeschweift, aber das macht mir wirklich Sorgen.

Nicht nur dir - mir auch. Manchmal bin ich echt froh, dass ich schon so alt bin. Denn ich fürchte, es wird nix besser - schlimmer geht immer.

Was wir brauchen sind ein paar Verrückte; denn seht nur, wohin uns die Normalen gebracht haben. (George Bernard Shaw)

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22.05.2017 00:20
#14
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Zitat von SusanneG im Beitrag #13

Nicht nur dir - mir auch. Manchmal bin ich echt froh, dass ich schon so alt bin. Denn ich fürchte, es wird nix besser - schlimmer geht immer.




Eigentlich sind wir alle hier ja junge oder junggebliebene alte Kämpferinnen und müssten daher optimistisch unsere Kampfanzüge holen und die Welt verbessern. Na ja, eigentlich... . Uneigentlich weiß man ja inzwischen gar nicht mehr, wo man auch nur mal anfangen könnte


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16.06.2017 12:10
avatar  Amelie ( gelöscht )
#15
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Amelie ( gelöscht )

Hallo, ich oute mich direkt: Ich habe kein ADHS Kind, aber ein Gemobbtes und wir haben wegen des Angebotes No Blame Approach die Schule gewechselt. Ich hatte eingewilligt, weil ich im Internet vorher nur positive Informationen über die Methode finden konnte. Folgende Info könnte vielleicht anderen Eltern helfen: Im Forum von schueler-gegen-mobbing.de wird unter Diskussionen ausführlich über verschiedene Aspekte des No Blame Approach diskutiert. Nur dort, in Form von Rezensionen zu den Büchern bei Amazon und hier wird öffentliche Kritik nicht gelöscht.

Den niedlichen Kinderfilm habe ich bei Youtube kommentiert, keinen Tag später waren die Kommentare abgestellt. Man darf den Werbefilm angucken, aber nicht fragen, warum der Bär für seine Zivilcourage, das Mobbingverhalten der Füchsin anzusprechen, nicht vom Lehrer gelobt wird. Genau das wird heute von allen Mobbing-Experten empfohlen: Null Toleranz für Mobbing-Verhalten! Den Täter isolieren und nicht das Opfer!

Alle Eltern, die vor die Entscheidung "No Blame Approach - Ja oder Nein?" gestellt werden, könnten zwei Fragen helfen:

1. Möchte ich, dass mein Kind und seine weitere (schulische) Entwicklung seitens einer Lehrkraft abhängig von der Hilfe der TäterInnen gemacht wird?
2. Möchte ich, dass mein Kind von der Lösung seines Problems ausgegrenzt wird und in seiner Abwesenheit vor gleichaltrigen Klassenkameraden als Sorgenkind "X geht es nicht gut" stigmatisiert wird? (Risiko: Gerüchteküche innerhalb der Schule, Cybermobbing)

Der No Blame Approach ist eine Erleichterung für die Schulleitung, das Lehrerkollegium und die MobberInnen, weil Mobbing und Mobbingverhalten tabuisiert und vertuscht werden kann. Für das Opfer ist das kontraproduktiv. Diese Informationen findet man aber nur (teils sehr versteckt) in der Fachliteratur. Offene Kritik an der Methode gibt es nur unter Eltern von Opfern, die sich über schlechte Erfahrungen mit dem No Blame Approach austauschen.


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16.06.2017 17:51
#16
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Hallo Amelie,

herzlich willkommen in unserem Forum!

Zuerst einmal danke ich dir für deine Info, für die Formulierung dieser beiden ausgesprochen wichtigen Fragen.

Zitat von Amelie im Beitrag #15
Alle Eltern, die vor die Entscheidung "No Blame Approach - Ja oder Nein?" gestellt werden, könnten zwei Fragen helfen:


Ich habe das Filmchen - die Darstellung des No Blame Approach - so verstanden, dass das nur in der Grundschule funktioniert, nur EIN einziges (erstes) Mal angewendet werden DARF und von einer Lehrkraft durchgeführt wird, die weiß, was sie da tut. Es ist wie immer: Ich erwarte zu viel .

Ja, mir ist auch aufgefallen, dass da ÜBER ein Kind gesprochen wird und nicht MIT dem betroffenen Kind. Deshalb kann das in meinen Augen nur ein erster Versuch sein, das Mobbing zu beenden, in dem man die Mobber mit ins Boot holt (und sie deshalb erst mal nicht bestraft). Solange über das betroffene Kind nicht mehr gesagt wird als "geht es nicht gut, ist traurig", ist das für mich ok. Weitere Infos oder Erklärungsansätze in dieser Richtung müssen aber tabu sein.

Wenn das Mobbing daraufhin NICHT vollständig beendet ist, darf eine solche Maßnahme auf gar keinen Fall ein zweites Mal angewandt werden.


Mobbingopfer bei Schülern gehören nicht selten zum "neurodiversen Spektrum". Unsere Erfahrungen oder Beobachtungen, die wir hier diskutieren, beziehen sich vorwiegend darauf, dass Lehrkräfte die Neurodiversität grundsätzlich nicht verstehen (wollen) und in solchen Fällen ist diese Methode nicht geeignet. Schön an dem Filmchen fand ich, dass es eine Maßnahme darstellt, die nicht "ignorieren" heißt. Die Gefahr, dass dadurch nicht ignoriert, sondern vielmehr unter den Teppich gekehrt wird, habe ich nicht gesehen, weil ich ja von einer einmaligen Maßnahme ausging. Aber du hast Recht! Wer sorgt denn dafür, dass sie nur einmal angewandt wird? Keiner!

Zitat von Amelie im Beitrag #15
Hallo, ich oute mich direkt: Ich habe kein ADHS Kind, ...

Die Neugier lässt mich fragen: Weshalb und/oder wie bist du denn auf unser Forum gestoßen?

Viele Grüße
Susanne

Was wir brauchen sind ein paar Verrückte; denn seht nur, wohin uns die Normalen gebracht haben. (George Bernard Shaw)

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16.06.2017 21:56
avatar  Amelie ( gelöscht )
#17
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Amelie ( gelöscht )

Hallo Susanne,

herzlichen Dank für das herzliche Willkommen!

Zitat
Weshalb und/oder wie bist du denn auf unser Forum gestoßen?

Nun, ich bin immer noch geschockt, dass eine veraltete Methode wie der No Blame Approach als einzige Mobbing-Intervention angeboten werden darf. Ich recherchiere gerade, wer den No Blame Approach auf welche Art bewirbt und dabei stieß ich gestern nacht zufällig auf Eure Diskussion hier. Und ich freue mich jedesmal, wenn ich eine Nische finde, in der offen Kritik geäußert werden kann und nicht gelöscht wird.

Der No Blame Approach wird keineswegs nur einmal in Grundschulklassen durchgeführt. Wenn er nicht funktioniert kann er mehrmals wiederholt werden, es gibt mittlerweile Schulen, die Mobbing-Intervention-Teams haben, die ausschließlich mit dem No Blame Approach arbeiten. Er wird an weiterführenden Schulen in allen Altersklassen angewendet. Umgetauft in Shared Responsibility Approach wird er auch bei Erwachsenen, Lehrkräften oder in anderen Branchen angewendet. Da sind die Anbieter allerdings auf Widerstand gestoßen, die Methode lässt sich auf der Erwachsenenebene wohl nicht so leicht etablieren.

Bei uns war es so, dass er nach zweieinhalb Jahren Mobbing in der weiterführenden Schule zur Vertuschung dienen sollte. Ein Kind war schon raus aus der Klasse und erst nachdem drei (!!) gegangen waren, gab es einen Elternabend zum Thema. Ich finde das Thema so faszinierend, weil ich die Bücher gelesen habe und es einen Skandal finde, was alles NICHT gesagt wird. In dem Film wird wieder von wissenschaftlicher Evaluation gesprochen, weder Wirksamkeit noch Nachhaltigkeit sind in einer unabhängigen wissenschaftlichen Studie nachgewiesen worden. Was ich aber noch schlimmer finde, ist, dass das Opfer zur Empathieförderung der Täter instrumentalisiert wird. Dabei müsste Opferschutz vor Täterschutz gehen. Die Gespräche mit dem Opfer finden ohne Augenzeugen statt. Manchmal wird nicht mal das Einverständnis der Eltern eingeholt. Dabei ist das Opfer die einzige Person, die durch die Bloßstellung ein Risiko hat. Die Mobber lachen sich ins Fäustchen, wenn es nicht klappt. Oh je, Du siehst ich bin so im Thema drin, dass ich zu sehr in die Tiefe gehe...

Übrigens bewertet die Unterstützergruppe (50 % Täter und Assistenten, 50 % passiv am Mobbing Beteiligte Mitschüler), ob der No Blame Approach erfolgreich war. Meinst Du, das Opfer traut sich nach der Ausgrenzung und "über seinen Kopf"-Entscheiderei noch seine ehrliche Meinung zu sagen? Die Opfer schweigen meist aus Scham- und Schuldgefühlen und der No Blame Approach entlastet sie nicht.

Zitat
Mobbingopfer bei Schülern gehören nicht selten zum "neurodiversen Spektrum". Unsere Erfahrungen oder Beobachtungen, die wir hier diskutieren, beziehen sich vorwiegend darauf, dass Lehrkräfte die Neurodiversität grundsätzlich nicht verstehen (wollen) und in solchen Fällen ist diese Methode nicht geeignet.

Ich habe es jetzt gerade gegoogelt, weil ich nicht mal den Begriff kannte. In der Grundschule war in einer Klasse eine Epileptikerin, die Klassenlehrerin hat eine klare Ansage gemacht, dass jeder Mensch in der Klasse - so wie es ist - mit seinen Stärken und Schwächen zu respektieren ist. Das hat funktioniert.

Der No Blame Approach zielt aber darauf ab, dass sich das Mobbingopfer anpasst. Die Mobber etablieren ja eine Doppelherrschaft im Klassenzimmer, sie wollen mitbestimmen, wer in der Klasse bleiben darf. Beim No Blame Approach übergibt der Klassenlehrer die Verantwortung vertrauensvoll an die Mobber. Klares Signal, oder? Mein Kind hatte das Vertrauen in die Mobber nicht. Als wir begriffen hatten, was läuft, blieb nur der überstürzte Schulwechsel.

Ich wollte das hier mit Euch teilen, weil ich es besser für Eltern finde, informiert zu sein. Dann weiß man wenigstens worauf man sich einlässt oder kann sich wehren. ;-) Oder man hat mehr Zeit, sich Alternativen zu überlegen oder sich extern beraten zu lassen.

Liebe Grüße
Amelie


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