Mein Kurtagebuch

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14.07.2017 06:50
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#1
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Hallo ins Rund,

wir sind zurück von unserer Kur und ich habe fleissig getippselt. Herausgekommen ist ein 7-seitiger Roman, den ich hier in Häppchen präsentieren möchte. Kommentare und Zwischenfragen erwünscht

Kurtagebuch Mai 2017

Wie beantrage ich eine Kur und fahr dann auch tatsächlich hin?

Das soll hier kein Leitfaden eher eine Art Kurtagebuch werden. Ich möchte meine Eindrücke, genau dieses subjektives Empfinden, darstellen um Eltern entweder zu einer Kur zu ermuntern oder (das will ich zu diesem Zeitpunkt nicht hoffen) davon abzuhalten.

Beantragt wird eine Mutter-Kind- Kur grundsätzlich über die Krankenkasse oder, wie in meinem Fall über den Rentenversicherungsträger. Die Begründung wer hier die Kosten übernimmt, richtet sich nach der Fragestellung der Krankheit bzw. Diagnose. Erklärt wurde mir das so: Handelt es sich um eine vorbeugende Maßnahme, befinden wir uns also noch in der Warteschleife der endgültigen Feststellung, ADHS ja/nein, kommt die Krankenkasse zum Zuge. Die Beantragung und Bescheiderstellung der angegliederten vertraglich verpflichteten Kliniken, gestaltet sich unkomplizierter.
Wurde die Diagnose gestellt und eine ambulante Behandlung am Heimatort bereits eingeleitet, handelt es sich um eine Rehabilitation, für die im allgemeinen der Rentenversicherungsträger zuständig ist. Um als Begleitperson zugelassen zu werden, muss entweder die Krankheit so schwerwiegende Auswirkungen haben, dass die Betreuung unabdingbar ist oder das Alter des Rehabilitanten darf nicht älter als 12 Jahre bei Antragstellung (!) sein. Für ältere Kinder gibt es die sogenannte Kinder- und Jugendreha, bei der Begleitpersonen höchstens zur Eingewöhnung, drei Tage bis eine Woche, anwesend sein dürfen.

Wir hatten die Empfehlung für eine Kur von unserer behandelnden Kinderpsychologin bekommen. Durch dieses Forum und eine entsprechende Anfrage filterte sich ursprünglich eine Klinik in Feldberg heraus. Die dort angebotenen Elternseminare und Kompetenz-Training erfüllten, zumindest augenscheinlich, meine Erwartung an so eine Maßnahme.

Mein Sohn war zu diesem Zeitpunkt (Oktober 2016) 11 Jahre alt und neben seiner ADHS, so langsam im vorpubertierendem Spezialalter. Das ist die Sphäre zwischen Fisch und Fleisch, wo die Eltern nur noch nervig und peinlich, Hausaufgaben für Streber und Ordnung halten was für Looser ist. Bei dem Eltern, die absolut ruhig und obercool tun, das Kind damit in Wallung und Zorn versetzen. Kurz, die Zeit war reif.

Eine Kur und damit ein Training für mich um auf den fortschreitenden Verfall der guten Sitten meines Juniors einwirken, sprich kompetent erziehen, zu können, schien der richtige Weg zu sein. Also, Antrag her, wo soll ich unterschreiben!?


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14.07.2017 14:13
#2
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Hmmmm - meine Mutter-Kind-Kur läuft über die Krankenkasse. Da gab es kein entweder oder... aber ich selbst bin auch Kurbedürftig, das ist vielleicht der Unterschied... Rücken kaputt, Migräneanfälle und überhaupt einfach nur fertig auf der Bereifung. Kind kommt noch dazu mit ihrer ADHS.
Kurhaus gefunden die alles abdeckt und bin noch in Vorfreude.

LG Mona Lisa

Mutterglück ist das was eine Frau empfindet, wenn die Kinder abends im Bett sind.

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17.07.2017 06:45 (zuletzt bearbeitet: 17.07.2017 06:45)
avatar  Gemiko
#3
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Hallo Mona Lisa,

wenn es sich um so eine kombinierte Kur handelt, sollte wieder die KK zuständig sein. Ich hab auch das Gefühl, dass hier nach Goodwill entschieden werden kann. Nennt sich "Ermessenspielraum"

2. Teil

Im Dezember desselben Jahres erhielt ich auch schon die Bewilligung. Allerdings mit dem Einwand, dass zu "Feldberg" keine vertraglichen Beziehung besteht und deshalb die Zuweisung an eine Ostseeklinik in Heringsdorf erfolgt. Google, google und studier: nein, Heringsdorf ist ganz und gar ungeeignet. Diese Klinik hat sich Diabetes und Adipositas auf die Fahne geschrieben. Was soll ich da? Auf der Homepage entdeckte ich als kleinen Hinweis, dass auch andere psychosomatische Krankheiten behandelt werden. Wir wären also dort unter Ferner liefen, die andere psychosomatische Krankheit. Aber ich will dieser Klinik dennoch eine Chance geben und schreibe eine ausführliche Mailanfrage in der ich mich nach einem ADHS-Therapieplan erkundige und auch wissen möchte, in welcher Weise die Begleitperson einbezogen wird. Die Antwort ist ernüchternd, denn es kommt keine.....

Inzwischen habe ich an die Patientenhomepage "Kurbegleitung.de" geschrieben und dort angefragt, welche Möglichkeiten bestehen, doch noch nach Feldberg zu kommen. Auch die Klinik in Feldberg hilft mir bei einem sauber formulierten Widerspruch an den Kostenträger "Rentenversicherung" macht mir allerdings nicht viel Mut, dass der es sich anders überlegen könnte. Fakt ist, dass die Kur in Heringsdorf verschwendete Zeit und Energie bedeutet.

Etwa eine Woche nach meinem Widerspruch meldet sich die Rentenkasse telefonisch bei mir. Man entschuldigte sich, für die Zuweisung denn nach meinem Brief hätte man wohl eingesehen, dass für lernwillige Eltern der Aufenthalt an der Ostsee wohl eher nicht geeignet sei. Ich solle mir doch unter 10 möglichen Kandidaten, sprich auf ADHS spezialiserte Kliniken, eine aussuchen. Man ließe mir dafür großzügig eine Woche Zeit und würde dann schnell mit einem Bescheid abhelfen. Feldberg war leider wieder nicht darunter. Also begann meine Suche erneut. Auch hier wieder mit Hilfe des Forums, kristallisierte sich relativ schnell die Klinik Hochried in Murnau heraus. Ähnliche Programme, Elternseminare und Schulungen für die Begleitperson waren zumindest auf der Homepage ersichtlich. Eine Nachfrage bei Susanne, ergab, dass Murnau zumindest in der Vergangenheit als DIE Klinik für ADHS galt. Allez Hopp, dann eben nach Murnau! Wir hatten Ende Januar und nach meinem Terminempfinden sollten Mai/Juni/Juli als geeignete Kurmonate herhalten.

Hier hatte ich die Rechnung allerdings ohne die Rentenkasse gemacht. Woche um Woche, Monat für Monat verstrich, ohne dass mein Abhilfebescheid kam. Inzwischen trudelte sogar der "Marschbefehl" aus der Ostseeklinik zusammen mit den Kurunterlagen ein. Den Papieren entnahm ich, dass tatsächlich für die Begleitperson ein kostenloser Beinehochlegurlaub das Programm war. Nein, danke. Eine Mail, schnell formuliert "können den Platz jemand anderes geben.....blablablub" und dafür ein wütendes "Erinnermich" an die Rentenkasse. Per Einschreiben und mit Hinweis darauf, dass Junior im September die Schule wechselt und ich unbedingt noch einen Platz in den Monaten davor brauche. Der Bescheid kam binnen einer Woche.

Ein Anruf in Murnau ergab aber, dass alle Durchgänge bis September bereits ausgebucht waren und man mich höchstens auf eine Art Warteliste setzen könne zu der ich aber jederzeit flexibel einsatzbereit sein müsse. Okay, dann eben keinen Sommerurlaub planen. Die Kur geht vor, basta! Als Vorwärtsbewegung setzte ich noch einen Bettelbrief nach Murnau auf, in dem ich meine Situation schilderte und darum warb, mich auf die Warteliste nach vorn zu katapultieren. Im Briefeschreiben bin ich richtig gut "hehehehe".


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18.07.2017 06:42
avatar  Gemiko
#4
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3. Teil

Und es klappte. Yippiih, Anfang Mai kam die Einberufung für .....Mai. Ich hatte knapp vier Wochen Zeit für die Organisation der Schul- und Lehrpläne, die Organisation meines Vollzeit-Jobs, die Formalitäten im Personalbüro und die Logistik der am dringendst benötigten Wäsche für vier Wochen Kuraufenthalt. Apropos Logistik, empfohlen wird eine Anreise per Bahn. Sogar die Koffer können per Hermesboten vorgeschickt und das Ticket direkt auf Kosten des Rentenversicherungsträgers gebucht werden. Da unser Zielort allerdings in 603 Kilometer Entfernung lag, und der Logistikdienstleister DB dafür vier Umstiege und fast 11 Stunden Fahrtzeit benötigt, musste auf das profane Transportmittel Auto zurückgegriffen werden. Egal, das kann ich wenigstens bis unters Dach mit Krempel volladen, auf dass es uns an nichts mangeln werde. Sogar mein Lieblingskopfkissen hat gerade noch so reingepasst.
Junior passte der zeitige Termin überhaupt nicht. Seine Klasse plante gerade die Abschlussfahrt denn nach diesem Schuljahr würden alle auseinandergehen und es wurde fleissig an einem Abschlusstheaterstück geprobt, Grillabende gemanagt und Geniestreiche alá Feuerzangenbowle diskutiert. Aber opportume Gegenwehr ließ ich apprallen, Mama muss auch mal Prioritäten setzen!

Anreise nur bis 16.00 Uhr stand auf der Einladung. Dass sollte zu schaffen sein. Gemütlich frühstücken und ab geht die gute Fuhre. Von Brandenburg nach Bayern ist ja eigentlich keine Weltreise wenn, ja wenn zwischen den Endlosbaustellen auf mal Gas gegeben werden kann. Danke Navi, danke Klimaanlage. Geschlaucht und durchgeschwitzt rollten wir um 15.00 Uhr auf das weiträumige Klinikgelände. Vor der Verwaltung eine gefühlte Schlange von 100 Leuten mit quengelnden Kindern und viel Gepäck. Das bayerische Naturell ließ hier keine Hektik aufkommen. Man versah uns mit Guide, Lageplan und Erstuntersuchung 10 Minuten nach der Anmeldung. Nachdem die erfolgreich hinter uns lag, ging es ans Zimmer beziehen.
Hier folgte die erste Enttäuschung. Es waren keine, wie im Prospekt oder Homepage abgebildeten geräumigen Suites sondern klitzekleine ca. 20 m2 Zimmerchen in einer Wohngemeinschaft mit 7 Muttis, einer Gemeinschaftsküche, einem sogenannten Wohnzimmer und das alles im 5 Stock. Der Fahrstuhl sollte nur vom Personal mit Essenwagen und Hauswirtschaftlichen Equipment oder Rollstuhlfahrern benutzt werden. Egal, wir sind auf der Arbeit und nicht im Urlaub! Das unterirdische Verbindungssystem zwischen den einzelnen Häusern, Schulen, Turnhallen etc. flößte mir deutlich mehr Respekt ein.


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19.07.2017 07:04
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#5
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4. Teil

Beim ersten Abendessen lernten wir uns nur kurz kennen, die Anreise hat alle erstmal müde gemacht. Noch ein paar Bilder aus dem Fenster zu der wirklich spektakulären Aussicht auf Berge, Wald und See geschossen, dann fielen wir halbtot in unsere Betten. Man sagt ja, Träume in der Ersten Nacht gehen in Erfüllung. Hhhhm, ich hab von einer Leberpunktion geträumt..... hab ich ein unterbewusstes Alkoholproblem?

Mit einem "Fahrplan" für den nächsten Tag bewaffnet machten wir uns auf die Raumsuche "SU014" was soviel heisst, wie Schule - Untergeschoss - Raum 14. Gefunden! Nachdem Kind abgeladen war, ging es zu einem Einführungsseminar der Stützpunktleiterin ITS 7, weiter ins Kommunikationszentrum KZ dass sich in SU05 verbarg. Wer spätestens hier beim Lesen abschaltet, kann sich vielleicht annähernd meine Panik des Zuspätkommens weil nicht gefunden, vorstellen. Ätsch, immer der Meute hinterher. Lemming sein, hat auch was Gutes.
Freitag folgte ein "Küchenseminar" vom Chefkoch persönlich, um das Miteinander in der Wohngemeinschaft, Essenspläne, Berücksichtigung von Allergien und die Themen Lactoseunverträglichkeit, Glutenfrei, Zölliakie, zu besprechen. Bei letzterem bekam ich so eine Ahnung, worauf Mütter mit solchen Kindern strengstens achten müssen um Sauereien und Bauchschmerzen zu vermeiden. Zig beschriftete Teller mit der jeweiligen Inhaltsangabe erreichen den Tafelwagen und kollidierten mit den Essensgelüsten der allergiegeplagten Kinder. Bloß gut, nicht mein Thema. Junior ist "Allesfresser". Wir ernähren uns hauptsächlich vegetarisch, vertragen und gönnen uns aber auch hin- und wieder Tier. Der Darm ist das zweite Gehirn, sagt man.

Nachmittag gab es, eine vorher festgelegte Stunde, in der die Mütter unserer Station das Klinikschwimmbad mit ihren Kindern benutzen dürfen. Spätestens hier entstanden erste Freundschaften unter Kindern und Müttern. Die Klinik hat ein gutes Händchen bei der Zusammenstellung der einzelnen Wohngruppen bewiesen. Unsere Kids befinden sich annähernd im gleichen Alter, so dass die meisten angeordneten Therapien sowie der Schulunterricht in ein- und derselben Gruppe durchgeführt wird. Das erleichtert das Kennenlernen und Herauskristallisieren der Stärken und Schwächen deutlich.
Wir haben hier, zwei Autisten, zwei global Entwicklungsverzögerte, zwei mal ADHS, einmal ADS, und Kinder, denen eine endgültige Diagnose noch immer fehlt. Das reicht von motorisch bis sprachlichen Auffälligkeiten. Allen Kindern gemein ist, dass sie in unserer anfordernden Gesellschaft aus der Rolle fallen, nicht angepasst sind und oftmals nicht allein, ohne die lebenslange Hilfe ihrer Bezugsperson leben könnten.
Wir haben Pfingsten und für dieses lange Wochenende ist erstmal Ruhe ins Kurhaus eingekehrt. Die Mütter schmieden Pläne, wir machen Kidsprogramm. Samstag lockt das tolle Wetter und der Staffelsee, Sonntag die Sommerrodelbahn in Oberammergau und Montag das Spaßbad. Organisatorisch bedingt sind die Einschlusszeiten. Bis 20.00 Uhr muss jede auf ihrem Zimmer oder zumindest in der Wohngruppe angekommen sein. Nachtruhe ist Wochentags um 21.00 und Wochenende um 22.00 Uhr. Das verschafft mir ungewollt ne Menge Schlaf.


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21.07.2017 08:20
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#6
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5. Teil


Am "Arbeitsdienstag" werden die Kinder in der Schule abgeliefert und für uns Mütter steht der erste Pflichtvortrag auf dem Programm: Entwicklungsstörungen - Medizinische Aspekte. Vom Klinikleiter persönlich werden die verschiedenen Arten der EWS erläutert, Fachbegriffe, Fragen zur Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten erörtert. Ich frische mein Wissen auf und nehme als neuen Input mit, dass in unserem Fall in der Zeit der Schwangerschaft wohl nichts gravierendes schief gelaufen ist. Ein Punkt, eine Frage, die mich immer wieder umgetrieben hatte da meine Schwangerschaft emotionsgeladen stressig verlief.

In Bayern sind zwei Wochen Pfingstferien. Das bedeutet für unsere Kinder "Lila Ferien". Die Farbeinteilung dient zur Orientierung der Altersgruppen. Lila Ferien, das ist eingeschränkter Unterricht und mehr Therapien. Auf dem Stundenplan stehen also Ergotherapie, Wahrnehmung, Psychomotorik und Konzentrationstraining. Neben Schwimmtherapie und Entspannung gibt es den Baustein Soziale Kompetenz. Ein Fach, das für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wie finde und halte ich Freunde? Wie kontrolliere ich Gefühle und bin dennoch empathisch? Gruppendynamik und Motivation. Was kann ich tun, damit sich meine Wut in Luft auflöst? Und zu guter Letzt: Stärken & Schwächen. Insgesamt sind 6 Sitzungen allein diesem Thema gewidmet. Junior hat in der Theorie etliches Wissen mitgenommen und hier, in der ruhigen Atmosphäre der Kur, auch umgesetzt. Ob sich Alltagstauglichkeit einstellen wird, bleibt abzuwarten.


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24.07.2017 07:44 (zuletzt bearbeitet: 24.07.2017 07:48)
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#7
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6. Teil

Für uns Mütter, respektive Eltern zieht sich ein roter Faden an Vorträgen durch die Woche. Es gibt verpflichtende Teilnahmen und freiwilliges Erscheinen. Die Pflichtvorträge sind fein säuberlich aufgelistet und werden vom Kursleiter gegengezeichnet. Auf meinem Zettel finden sich folgende Schulungen:

Triple P - Positive Parenting Programm
ein Erziehungsprogramm in dem die Eltern Grundlagen der positiven Erziehung erlernen und einen effektiven Umgang mit kindlichen Problemverhalten. In insgesamt vier Schulungen wird besprochen wie Förderung von angemessenem Verhalten belohnt und negative Verhaltensmuster durchbrochen und sanktioniert werden. Das liest sich eigentlich simpel, ist es aber bezogen auf den Alltag nicht. Denn Aufmerksamkeit und Motivation hängen oft von äußeren Einflüssen ab und wenn der Tag straff durchorganisiert ist, bleibt eben wenig Zeit die Bedürfnisse unserer Kinder immer an erster Stelle zu sehen. Lob? Auf jedenFall und dann aber bitte mit Begeisterung und Ehrlichkeit. Beiläufiges Lernen nutzen, eine Punktekarte einführen. Allein schon der Baustein "für anregende Beschäftigung sorgen" macht mir persönlich Bauchschmerzen. Denn er verkommt schnell dazu, den Spaßkasper zu mimen und die Erwartungshaltung des Kindes zu eigener Kreativität verkümmern zu lassen. Das ist ein schwieriger Grat. Allein die Aufforderung an Junior, das Nintendo wegzulegen, den Fernseher auszuschalten stößt unweigerlich auf die Gegenfrage "ja, was soll ich dann machen?" Und da reicht es laut Triple P eben nicht "geh raus spielen" zu antworten.

Die Teilnehmer dieser Schulung eint aber ein gemeinsames Problem "Hilfe zur Selbstständigkeit versus Erwartung unter Ausnutzung der kindlichen Position" denn Stress, Streit und endlose Diskussionen sind immer auch Machtspielchen die uns schnell an unsere Grenzen bringen.
Fragen - Sagen - Tun = muss Bestandteil unseres Alltags werden! Für diese Schulung wird ein jeweiliges Handout ausgegeben, ein Begleitbuch zum käuflichen Erwerb angeboten.

Entwicklungsstörung - Legasthenie und Dyskalkulie

Im Rahmen des Vortrages wird zunächst ein kurzer Überblick über Ursachen und Symptome der LRS gegeben. Danach werden wesentliche Apsekte des erfolgreichen Lernens mit diesen Kindern vorgestellt. Dabei werden sinnvolle Übungen bzw. Lernspiele vorgestellt und mit Eltern ausprobiert sowie Tipps für den Umgang mit LRS im Alltag vermittelt.

Entwicklungsstörung - Sprachtherapie
In der EWS-Schulung Sprachtherapie werden Eltern im theoretischen Teil Informationen über die sprachlichen Anforderungen im Schulalltag vermittelt, und die Voraussetzungen thematisiert, die Kinder benötigen, um Lesen und Schreiben zu erlernen. Im praktischen Teil wird den Eltern gezeigt, wie Ziele in der Therapie umgesetzt werden und die Kinder im Alltag auf spielerische Weise sprachlich gefördert werden können.

Entwicklungsstörung - Konzentrationsförderung

Vorstellung eines wirksamen Konzepts zur Förderung der Aufmerksamkeit und der Konzentrationsförderung bei Schulkindern. Den Eltern werden Ursachen für ein Aufmerksamkeitsdefizit aufgezeigt und Therapieformen vorgestellt. Insbesondere werden Inhalt und Ziel des - Marburger Konzentrationstrainings - dargelegt und die Methoden im praktischen Teil erarbeitet.

Soziales Kompetenztraining
Im Rahmen dieser Schulung wird den Eltern das Training der sozialen Kompetenz an den Kindern in der Klinik vorgestellt: In diesem Training sollen Kinder Zugang zu ihren eigenen Emotionen, Wünschen und Bedürfnissen finden und ausdrücken.

Alle Schulungen eint derselbe Makel: sie kratzen nur an der Oberfläche. Die Vortragenden können kaum in einer Stunde pro Thema alle Aspekte erläutern und schon gar nicht auf die Fragen der Kursteilnehmer eingehen. Spezifische Probleme werden mit Hinweis auf den Stützpunktleiter oder die Ärztin abgewürgt. Vorgebildete und belesene Eltern nehmen genau "Nichts" aus diesen Schulungen. Andere haben nun wenigstens schon mal davon gehört. Das scheint aber ein Konzept der Klinik zu sein. Hier wird am Kind therapiert und von den Begleitpersonen zu Recht erwartet, dass sie sich um weitergehende Aufklärung am Heimatort und via Literaturstudium bemühen. Triple P ist der einzige Blockvortrag untergliedert in acht Stunden und vier Segmente, aus dem ich echtes Neuwissen schöpfen konnte.


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25.07.2017 07:34
avatar  Gemiko
#8
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7. und letzter Teil

Inzwischen haben wir Mütter uns hier eingelebt und bequem gemacht. Der Tag wird bestimmt durch den Unterricht und die Therapien unserer Kinder. Als nettes Begleitprogramm wird Aquawalking, Nutzung der Hometrainer unter Beobachtung einer Physiotherapeutin, Nordic Walking, Wandern mit und ohne Kinder und Basteln angeboten. Langeweile kommt hier nicht auf. Die Nähe zum Staffelsee, die herrliche Umgebung und die vielen Möglichkeiten zu Sehenswürdigkeiten aufzubrechen, verführt. Einige Ausflüge werden von der Klinik angeboten, besonders reizvoll für Mütter ohne fahrbaren Untersatz und etliches wird fakultativ mitgenommen. Wir kennen jetzt das Spaßbad in Oberammergau, die Sommerrodelbahn, sind durch die eisige Partnachklamm in Garmisch Patenkirchen gewandert und haben mehrmals die Stadt München heimgesucht und als krönenden Abschluss wird die Zugspitze erobert. Achja, falls jemand annimmt, hier könnte durch die Vollverpflegung Geld gespart werden, den Zahn kann ich ihm/ihr gleich ziehen.

Auch ist es als Begleitperson notwendig, finanzielle Reserven zu haben. Der Arbeitgeber gewährt für die Zeit der Kur „unbezahlten“ Urlaub. Auf Anforderung hin erhält man von der RV einen sogenannten Erstattungsantrag der von der Personalstelle mit dem Nettoverdienst ausgefüllt wird. Diesen Antrag bearbeitet die Rentenkasse jedoch erst NACH Vollendung der Kur, so dass man hier unter Umständen einen Monat Leerlauf, sprich kein Einkommen hat während die Kosten unvermindert weiter laufen.

Wir nehmen Abschied und uns eint ein gemeinsames Fazit. Die Kur hat uns allen gut getan, wir haben einiges dazu gelernt und unsere Kinder können sehr wohl empathievoll und gleichzeitig sie selbst sein. Mein Junior hat sich einige Strategien zur Wutbewältigung angenommen und setzt sie tatsächlich bewusst ein. Wir zwei haben hier vier wunderbare Wochen verlebt und unsere Beziehung, die vorher arg am Bröseln war, gestärkt.
Meine pädagogische Vorstellung einer besonderen Erziehung für ADHSler wurde hier nicht völlig auf den Kopf gestellt aber mit dieser Erwartung bin ich auch nicht her gefahren. Wo Liebe ist, wird sich ein gemeinsamer Weg finden.

Ende


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25.07.2017 20:13 (zuletzt bearbeitet: 25.07.2017 20:13)
avatar  JaNi
#9
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Danke für deinen Bericht Gemiko.

Ungeduld hat häufig Schuld. Wilhelm Busch


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28.07.2017 16:25
avatar  Anja71
#10
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Liebe Gemiko,
ganz herzlichen Dank für diesen ausführlichen und interessanten Bericht, das ist sehr hilfreich, um besser voraussehen zu können, was einen da erwarten könnte.

U.a. finde ich auch einen Deiner letzten Sätze bedeutsam:
Verbesserung der bröselnden Beziehung mit Sohn.

Das ist u.a. auch ein Grund für mich, über eine Reha mit mit mir als Begleitperson nachzudenken: wie kriege ich diese furchtbar angeschlagene Beziehung mit Sohni wieder hin?
Im Urlaub ist es nur wieder schlimmer geworden, und ich merke, wie ich mich mittlerweile emotional von ihm distanziere - ich bin an einem Punkt, wo ich das ständige Beschimpfen von seiner Seite, extremste Schimpfwörter, äusserst unfreundlicher Umgang, auch mal Schlagen und Kratzen etc., nicht mehr ertrage... Dabei habe ich enorme Fortschritte gemacht: ich lasse mich nicht mehr provozieren, ich bleibe ruhig, ich bin konsequent, etc. (also ich darf mir auch selber auf die Schulter klopfen...).
Aber: Wir schaffen es nicht (mehr) in unserer Familienkonstellation, hier wieder allein aus der Abwärtsspirale hinauszukommen.

Liebe Grüsse,
Anja


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