Kind Hyperaktiv?

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12.12.2019 21:28
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#1
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Uwe ( gelöscht )

Hallo! Wir sind und nicht sicher, ob unser 7-Jähriger Sohn nur "wild" ist, oder ob das bereits in Richtung ADHS geht.

Problem
Unser Sohn kann nicht still sitzen. In der Schule ruft er immer dazwischen und wird ständig ermahnt. Er steht in bei der Benehmensampel in der Schule ständig auf gelb oder rot.
Er muss sich auch zu Hause überall dazwischendrängen, reinreden und überall dabei sein. Gerne schaukelt er sich dabei hoch, wird wild und extrem laut. Wir sind und nicht sicher, ob der dieses Verhalten steuern kann und "cool" sein will oder ob er es nicht unterdrücken kann. Wobei diese extreme Zappeligkeit schon immer da ist. Besonders auffällig ist, dass auch nach mehrmaliger Ermahnung nicht runterkommt. Eigentlich ist er ein sehr reflektiertes Kind, aber wenn er aufgedreht ist, ist er wie in einem Tunnel.
Er muss auch ständig laut sein. Egal was er macht, er singt dabei laut irgendwelche Unsinnslieder und redet vor sich hin. Und wenn ihm da nichts einfällt ruft er Minutenlang beim spielen "Tatütatataa".
Außer Haus tritt dieses Verhalten verstärkt in seinem schulischen Freundeskreis auf. In seinem Sportverein bemerken wir es praktisch nie.


Im Gegensatz dazu gibt es aber auch viele Momente, in denen er ruhig ist.
Er liest gerne Bücher, auch bereits für ältere. Er löst gerne Knobelaufgaben. Eine Zeit lang hat er gerne konzentriert Schach gespielt. Auch bei sonstigen Gesellschaftsspielen kann er sich stundenlang konzentrieren. Auch Hörspielen hört er stundenlang zu. Bereits als 3-Jähriger waren die ersten paar Stunden der Urlaubsfahrt mit einem neuen Tiptoi-Buch gerettet.


Schulische Situation
Unser Sohn ist in der zweiten Klasse und leitungsmäßig sehr stark. Er ist (disgnostiziert) hochbegabt mit einem IQ zwischen 130 und 140, wobei ich seine besondere Begabung eher im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich sehe. Sein Lernverständnis und seine Sprachkompetenz ist auch hoch, seine Rechtschreibung eher durchschnittlich. Dennoch glaube ich nicht, dass er in der Schule unterfordert ist. Es fällt ihm sicherlich vieles leicht, aber es ist ihm auch nicht alles zu leicht. Ein Tag pro Woche geht er statt zur normalen Schule bereits auf eine "Entdeckerschule" zur Begabtenförderung, dort werden außerschulische Themen bearbeitet (Laborexperimente, Knobelaufgaben, Recherchieren zu selbst-gewählten Vortragsthemen, Fotografie-AG, Schach-AG, ...).

Private Situation
Unser Sohn hat viel "Programm". Zweimal die Woche Sportverein, einmal Musikschule, die Entdeckerschule geht auch bis Nachmittags. Am Wochenende oft Sportturniere. Seinen Sport liebt er, Musikschule wollte er anfangs unbedingt, jetzt wo er üben muss ist die Begeisterung eher so mittelmäßig...


Fazit
Wir haben jetzt im Internet recherchiert und sind uns eigentlich sicher, dass zumindest der ADS-Teil von einem ADHS nicht auf unseren Sohn zutrifft. Dennoch ist die Impulsivität und der Aktivitätsdrang unangenehm und im Alltag störend. Wir bekommen das Feedback von den Eltern der (weniger werdenden) Freunde und auch vom Lehrer. Auch bei Veranstaltungen ist es immer die Hoffnung "hoffentlich hat er heute keinen schlechten Tag". Die Ausprägung ist auch sicherlich nicht so, dass eine medikamentöse Behandlung notwendig ist.
Wir suchen eher Tipps / Hilfen, wenn er mal wieder in einem "wilden Tunnel" ist? Gibt es bei Kindern Meditation? Gibt es andere Rituale, die bei euch helfen?


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13.12.2019 01:15
#2
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Herzlich willkommen im Forum Uwe!

Was du unter "Problem" beschreibst, könnte auf eine ADHS hindeuten; könnte - muss aber nicht. Eine Aufzählung von allem, was nervt, gibt wenig brauchbare Hinweise. Du erwähnst eine Hochbegabung. Die könnte genauso gut Auslöser für die von dir beschriebenen Symptome sein.

Zitat von Uwe im Beitrag #1
Wir haben jetzt im Internet recherchiert und sind uns eigentlich sicher, dass zumindest der ADS-Teil von einem ADHS nicht auf unseren Sohn zutrifft.

Was meinst du damit? Dass dein Sohn nur hyperaktiv ist und kein Aufmerksamkeitsdefizit hat?

Zitat von Uwe im Beitrag #1
Die Ausprägung ist auch sicherlich nicht so, dass eine medikamentöse Behandlung notwendig ist.

Du hast keine Ahnung, ob dein Sohn eine ADHS hat, aber du lehnst bereits jetzt eine potentielle Medikation ab?

Ich muss mich später nochmal durch deinen Beitrag wühlen, jetzt geht bei mir nix mehr.

Lesen gefährdet die Dummheit


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13.12.2019 10:02 (zuletzt bearbeitet: 14.12.2019 12:40)
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#3
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Hallo Uwe,

herzlich willkommen hier auch von mir.

Zitat von Uwe im Beitrag #1
unser Sohn kann nicht still sitzen. In der Schule ruft er immer dazwischen und wird ständig ermahnt. Er steht in bei der Benehmensampel in der Schule ständig auf gelb oder rot.


Das kommt mir sehr bekannt vor... Möglicherweise wird es irgendwann nicht bei Ermahnungen bleiben, er wird dann regelmäßig vor die Tür geschickt. Ständig kriegt er von den Lehrern "was oben drauf" und meint irgendwann selbst, er sei nicht ok, so wie er ist... und will doch auch nur "normal" sein und dazu gehören und der Selbstwert wird immer kleiner und kleiner.

Lasst den Verdacht auf ADHS unbedingt ärztlich abklären und das nur von jemandem, der tatsächlich Ahnung von ADHS hat. In örtlichen Selbsthilfegruppen gibt es i.d.R. Tipps, welche Ärzte geeignet sind und welche man besser meidet.

SHG vor Ort findest du z.B. hier:

http://www.adhs-deutschland.de/Home/Unse...lfegruppen.aspx


Zitat von Uwe im Beitrag #1
Im Gegensatz dazu gibt es aber auch viele Momente, in denen er ruhig ist.
Er liest gerne Bücher, auch bereits für ältere. Er löst gerne Knobelaufgaben. Eine Zeit lang hat er gerne konzentriert Schach gespielt. Auch bei sonstigen Gesellschaftsspielen kann er sich stundenlang konzentrieren. Auch Hörspielen hört er stundenlang zu. Bereits als 3-Jähriger waren die ersten paar Stunden der Urlaubsfahrt mit einem neuen Tiptoi-Buch gerettet.


Kenn ich auch ganz genauso... bei Interesse geht alles und ganz ganz viel. Auch das schließt eine ADHS nicht aus, ganz im Gegenteil.

Wie steht es um seine Frustrationstoleranz bei Spielen? Ist er ein guter Verlierer oder wird er schnell mal zum Rumpelstielzchen?

Zitat von Uwe im Beitrag #1
Unser Sohn ist in der zweiten Klasse und leitungsmäßig sehr stark. Er ist (disgnostiziert) hochbegabt mit einem IQ zwischen 130 und 140, wobei ich seine besondere Begabung eher im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich sehe. Sein Lernverständnis und seine Sprachkompetenz ist auch hoch...


ADHS und Hochbegabung schließen sich nicht aus, auch wenn manche Ärzte oder Therapeuten meinen, mit der Feststellung einer HB sei die Erklärung für das Verhalten gefunden, man geht dann von einer Unterforderung aus.

Zitat von Uwe im Beitrag #1
Dennoch glaube ich nicht, dass er in der Schule unterfordert ist. Es fällt ihm sicherlich vieles leicht, aber es ist ihm auch nicht alles zu leicht.


So hätte ich mein Kind in der 2. Klasse auch beschrieben. Es bekam auch eben zu diesem Zeitpunkt die HB bescheinigt mit der Erklärung, sein Verhalten sei auf eine schulische Unterforderung zurückzuführen. Auf eine ADHS kam niemand, weil es sich ja, sobald Aufgaben mal kniffelig und herausfordernd waren super konzentrierte und ganz still und hochkonzentriert auf einem Stuhl sitzen konnte. Aber nur für die Dauer der hochspannenden Aufgabe oder Beschäftigung.

ADHS kommt in allen Begabungsniveaus vor. Eine Hochbegabung kann die schulischen ADHS Schwierigkeiten eine Weile lang gut kompensieren. Wo andere Kinder (mit oder ohne ADHS) schon ordentlich lernen müssen, kriege unsere das durch ihre Intelligenz noch gut hin und bekommen mühelos gute Noten. Aber irgendwann geht das dann nicht mehr und das Kind versteht selbst nicht, was los ist. Bei meinem Kind kam der Einbruch in der 6. Klasse Gymnasium in einer speziellen "Begabtenklasse". Plötzlich gab es keine guten Noten mehr, obwohl das Thema eigentlich verstanden und kein Problem war... Von dem ständigen Gemecker der Lehrer, wegen des störenden Verhaltens, mal ganz zu schweigen...

Da endlich fand ich eine Ärztin, die auch die ADHS Diagnose stellte. Wenn auch sie beim Erstkontakt etwas schroff war und meinte, was wir denn überhaupt wollen, mein Kind sei schließlich vorzeitig auf dem Gymnasium... und Tabletten würden auch keine besseren Schulnoten machen. Als ich mich davon nicht beirren ließ und ihr die Sorgen mitteilte, nahm sie es ernst. Sie machte eine ausführliche Diagnostik und die ADHS wurde zusätzlich zur HB bestätigt.

Man kann durchaus Läuse und Flöhe haben! Auch wenn selbst Ärzte und Therapeuten dem ganz oft nicht nachgehen und sich mit der Feststellung der HB zufrieden geben und meinen des Rätsels Lösung gefunden zu haben. Ganz oft wird das auch stimmen, aber es gibt eben auch nicht so häufig die Kombination der ADHS und HB.

Wenn die ADHS undignostiziert und damit unbehandelt bleibt, kann das gravierende Folgen haben. Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, dein Kind hat ja (noch) gar kein gesicherte ADHS Diagnose, aber nehmt das Thema sehr ernst und lasst es unbedingt baldmöglichst abklären. Ein Abwarten bringt hier gar nichts, außer dass dein Kind möglicherweise (mehr) leidet.

Lies vielleicht mal "Panikherz" von Benjamin von Stuckrad-Barre... da ist autobiografisch geschildert, was eine undiagnostizierte ADHS mit einem sehr intelligenten Menschen machen kann. Das ist kein trauriges Einzelschicksal, aber immerhin weilt Herr von Stuckrad-Barre noch unter uns...

https://eppendorfer.de/stuckiman-und-die-sucht/

Zitat von Uwe im Beitrag #1
Wir haben jetzt im Internet recherchiert und sind uns eigentlich sicher, dass zumindest der ADS-Teil von einem ADHS nicht auf unseren Sohn zutrifft. Dennoch ist die Impulsivität und der Aktivitätsdrang unangenehm und im Alltag störend. Wir bekommen das Feedback von den Eltern der (weniger werdenden) Freunde und auch vom Lehrer.

ADHS ohne Aufmerksamkeitsdefizit ist auch eine mögliche Variante, aber wissen kann man das nicht genau. Denn wie oben schon geschrieben kann mit der hohen Intelligenz ganz viel kompensiert werden.
ADHS in Kombination mit HB sind in der Regel ADHS Mischtypen, also unaufmerksam, impulsiv und hyperaktiv, aber es gibt auch hier sicherlich Ausnahmen.

Zitat von Uwe im Beitrag #1
Wir suchen eher Tipps / Hilfen, wenn er mal wieder in einem "wilden Tunnel" ist? Gibt es bei Kindern Meditation? Gibt es andere Rituale, die bei euch helfen?

Es gibt auch für Kinder Meditationsübungen, Phantasiereisen... aber ich stelle es mir unmöglich vor, ihn vom "wilden Tunnel" zur Entspannung auf eine Matte oder nur einen bequemen Stuhl zu kriegen.

Mein Kind ist jetzt 15J. alt, was bei ihm hilft, wenn es im "wilden Tunnel" steckt ist eigentlich nur sein eigenes Wissen darum, warum es sich gerade so mega aufgedreht fühlt und gebärdet.
Am Abend, wenn die ADHS Medikation nicht mehr wirkt, springt es oft wie ein Flummi durch die Gegend und sagt:"Mama... ich habe AaaaDeeeHaaaEssss..."

Irgendwann hat es sich ausgezappelt, still irgendwo meditieren ginge dann aber eher gar nicht. Im Sommer springt es dann manchmal nochmal raus in den Garten und hüpft auf dem Trampolin herum.

Zitat von Uwe im Beitrag #1


...Auch bei Veranstaltungen ist es immer die Hoffnung "hoffentlich hat er heute keinen schlechten Tag"...
...der (weniger werdenden) Freunde...
...Benehmensampel in der Schule ständig auf gelb oder rot...
...Außer Haus tritt dieses Verhalten verstärkt in seinem schulischen Freundeskreis auf...
...Dennoch ist die Impulsivität und der Aktivitätsdrang unangenehm und im Alltag störend...



Zitat von Uwe im Beitrag #1
Die Ausprägung ist auch sicherlich nicht so, dass eine medikamentöse Behandlung notwendig ist.

Das was du hier beschreibst sind für mich schon erhebliche Einschränkungen, die ja auch was mit deinem Sohn machen...

Eine ADHS Mediaktion ist kein Schuldoping, es hilft einem dabei, sein Verhalten so zu steuern, wie man es eigentlich möchte, aber leider bei bestem Wissen und Wollen nicht kann.
Wenn sich zu einer ADHS erst eine oppositionelle Verhaltensstörung dazu gesellt (was grds. nicht sein muß und auch erstmal nichts mit ADHS an sich zu tun hat), wird es viel schwieriger. Das kann durchaus passieren, wenn ein Kind sich u.a. ständig gegängelt, ermahnt und abgelehnt fühlt, obwohl es sich doch alle Mühe gibt.

Wenn euer Sohn tatsächlich zusätzliche eine ADHS hat, dann ist es in meinen Augen fahrlässig, ihn nicht leitliniengerecht zu unterstützen. Dazu zählt die Medikation mit Methylphenidat und eine Verhaltenstherapie (mit Psychedukation, gerade auch für das Kind, was bei der hohen Intelligenz sicher gut möglich wäre.)

Lasst es abklären und falls euer Sohn eben auch Läuse und Flöhe hat, so what.... dann gebt ihm alle Unterstützung die er braucht.
Bei meinem Kind hat sich mit der ADHS Medikation vieles zum Guten entwickelt (es hat wieder Freunde, die Schule ist nicht mehr nur frustrierend, das Selbstwertgefühl ist wieder gewachsen). Ich möchte mir nicht ausmalen, wo wir heute wären, hätte es die Diagnose und nötige Therpie nicht gerade noch rechtzeitig bekommen.

Alles Gute.

LG JaNi

Umwege erhöhen die Ortskenntnis.


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14.12.2019 22:29
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#4
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Uwe ( gelöscht )

Hallo!

Vielen Dank für eurer Antworten. Auch für die persönliche Story.
Ab welchem Alter lässt sich denn ein Test sinnvoll durchführen? Würdet ihr ihn so früh wie möglich machen, oder erst, wenn es (noch) stärkere Probleme gibt.
Ein solcher Test sind im Wesentlichen Fragebögen an Eltern, Lehrer, das Kind un evtl. sonstige Bezugspersonen, oder? Findet dort auch ein vor-Ort-Termin statt?
Unserem Sohn wird natürlich völlig klar sein, was und warum wir das machen. Ich befürchte, dass er sich dann "abgestempelt" fühlen könnte.

Warum ich (bisher) Medikamenten etwas ablehnend gegenüberstehe:
Meine Eltern waren beide Grundschullehrer und wir hatten zu Hause oft das Thema ADHS. In vielen Fällen war ihr Fazit "ist gut, dass es gegeben wird"; sie sprachen aber auch immer wieder von munteren, aufgeweckten, auch wilden Kindern die durch die Gabe von Ritalin völlig ihr Wesen verändert hätten zu einem - flapsig formuliert - trägen, willenlosem etwas. Und dieses wilde, kecke, immer einen flotten Spruch auf lager habende sich für alles interessieren macht unseren Sohn gerade aus....

Meine Sorge ist, dass wir vielleicht einfach nur einen wilden Sohn haben und ihm jetzt eine "Krankheit" andiagnostizieren lassen. Andererseits aber auch, dass wir evtl. eine wichtige Diagnose nicht durchführen.
Vielleicht aber auch, dass ich mich in praktisch allen seiner Verhaltensweisen identisch wiedererkenne und denke, ich habe doch auch keine Medikamente gebraucht. Auch wenn ich bis heute der im Büro bin, der alle Kugelschreiber zerkaut, immer an irgendwas rumspielt und in kleinen Besprechungen zum Denken ständig aufsteht und rumläuft....

Sorry, vermutlich weiß ich selbst noch nicht so genau, wohin ich mit diesem Posting nun möchte...
Vielen Dank fürs Lesen und Antworten.


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15.12.2019 11:27 (zuletzt bearbeitet: 17.12.2019 15:01)
avatar  Zottel
#5
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Hallo Uwe,

Zitat von Uwe im Beitrag #4
Würdet ihr ihn so früh wie möglich machen, oder erst, wenn es (noch) stärkere Probleme gibt.

So schnell wie möglich!

Würdest Du bei einer Fehlsichtigkeit, einem Diabetes, einem Eiterzahn... whatever... auch so lange warten, bis es noch stärkere Probleme gibt? Was hast Du - vielmehr: was hat Dein Sohn bei einer Testung zu verlieren? Nix. Wenn er eine ADHS hat, dann kann man das Problem angehen und zwar bevor sich noch X Komorbiditäten auf das Störungsbild aufgesattelt haben.... bevor er in der Klasse gemobbt wird.... und vor allem: noch bevor er in der Pubertät ist.


Ihr habt nix zu verlieren außer die Zeit.

Wenn der Test dann negativ ausfallen sollte, dann habt Ihr wenigstens Gewissheit. Aber nun zitiere ich mal Susanne: "Wenn es keine ADHS ist, was ist es dann?"

Mein Kind ist inzwischen erwachsen. Mich ärgert noch heute, dass mich der Kinder- und Jugendpsychiater im letzten Kindergartenjahr nicht "für voll" genommen hat... da ist einem nämlich im Grunde die Diagnose schon regelrecht ins Gesicht gesprungen. Schade um das verschenkte Jahr. Mein Kind wurde zum Glück Mitte Klasse 1 doch noch diagnostiziert + medikamentös eingestellt. Dadurch blieb ihm mit Sicherheit so einiges an schlechten Erfahrungen erspart. Dennoch war die Schulzeit noch sehr, sehr anstrengend. Das war sehr harte Arbeit. Ich will mir gar nicht vorstellen, wo mein Kind heute - ohne frühzeitige Diagnose - stünde.


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15.12.2019 18:47
#6
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Hallo Uwe,

auch von mir herzlich willkommen hier im Forum.

Die Beschreibung der Probleme eures Sohnes könnte durchaus auf eine ADHS hinweisen, aber letzte Gewissheit wird euch leider nur eine Diagnostik bringen. Ich antworte dir entlang deines Texts:

Zitat von Uwe im Beitrag #4

Ab welchem Alter lässt sich denn ein Test sinnvoll durchführen? Würdet ihr ihn so früh wie möglich machen, oder erst, wenn es (noch) stärkere Probleme gibt


Die zweite Klasse ist schon halb vorbei. Auf Diagnostiktermine - meistens sind es mehrere - wartet man oft monatelang. Euer Sohn bekommt regelmäßig negatives Feedback aufgrund seines Verhaltens. Auch wenn ihn das momentan vielleicht noch nicht sichtbar tangiert, so sickert es eben doch in seine Seele und schadet seinem Selbstbild. Er ist sieben, da möchte man meistens noch bei den Lehrkräften beliebt sein, aber das gelingt ihm nicht. Er holt sich seinen täglichen Frust.

Auch seine Freundschaften gehen zurück, schreibst du. Das dürfte ihm wehtun - da ist es eigentlich höchste Eisenbahn.


Zitat von Uwe im Beitrag #4

Ein solcher Test sind im Wesentlichen Fragebögen an Eltern, Lehrer, das Kind un evtl. sonstige Bezugspersonen, oder? Findet dort auch ein vor-Ort-Termin statt?
Unserem Sohn wird natürlich völlig klar sein, was und warum wir das machen. Ich befürchte, dass er sich dann "abgestempelt" fühlen könnte.


Es ist sogar sehr wichtig, dass er persönlich angeschaut wird. Ich fürchte, das Thema "Abstempeln" kommt nur dann auf, wenn die Eltern es so empfinden. Durch seine negativen Erfahrungen ist ihm doch längst klar, dass er Probleme hat. Ihr könntet ihm erklären, dass nachgeschaut wird, warum er so viele traurige Gesichter bekommt, und wie man das verbessern könnte. Er wird das verstehen, intelligent genug ist er.

Für die Testung der Hochbegabung musste er auch zu eine/r Psychologen/in. Warum kommt in diesem Zusammenhang eigentlich keine Überlegung zum Abstempeln?

Zitat von Uwe im Beitrag #4
Warum ich (bisher) Medikamenten etwas ablehnend gegenüberstehe:
Meine Eltern waren beide Grundschullehrer und wir hatten zu Hause oft das Thema ADHS. In vielen Fällen war ihr Fazit "ist gut, dass es gegeben wird"; sie sprachen aber auch immer wieder von munteren, aufgeweckten, auch wilden Kindern die durch die Gabe von Ritalin völlig ihr Wesen verändert hätten zu einem - flapsig formuliert - trägen, willenlosem etwas. Und dieses wilde, kecke, immer einen flotten Spruch auf lager habende sich für alles interessieren macht unseren Sohn gerade aus....


Da es in meinem Jahrgang einige Uwes gab, gehe ich davon aus, dass deine Eltern wie die meinen um die 70 sein dürften. Sie haben noch die "Hoch"-Zeiten des Ritalin-Bashings erlebt, und zu einer Zeit gearbeitet, als man noch sehr viel weniger über die ADHS wusste als heute. Forschung geht ja zum Glück immer weiter. Allerdings haben wir gerade auch wieder eine Bashingphase. Lehrkräfte sind oft besonders anfällig für solche Vorurteile. Mit diesen Schubladen im Hinterkopf beurteilen sie ein Kind, das neu mit Medikation eingestellt wird, nicht unbedingt neutral. Hätten sie gar nichts davon gewusst, wären sie vielleicht einfach nur froh gewesen, wenn der Problemschüler endlich weniger den Unterricht gestört hätte.

ADHS ist allerdings sehr viel mehr als nur Hyperaktivität.

Außerdem wäre es sinnvoll, auch gedanklich die richtige Reihenfolge einzuhalten. Eine ADHS-Diagnose führt nicht automatisch zu einer Medikation. Und wenn eine Medikation nötig wird, dann erst ist es an der Zeit, sich mit der Thematik intensiv und vorurteilsfrei (!) zu beschäftigen. Falls Medikamente eingesetzt werden, dann heißt das keineswegs, dass es für immer so sein muss. Schritt für Schritt denken!

Zitat von Uwe im Beitrag #4

Meine Sorge ist, dass wir vielleicht einfach nur einen wilden Sohn haben und ihm jetzt eine "Krankheit" andiagnostizieren lassen. Andererseits aber auch, dass wir evtl. eine wichtige Diagnose nicht durchführen.
Vielleicht aber auch, dass ich mich in praktisch allen seiner Verhaltensweisen identisch wiedererkenne und denke, ich habe doch auch keine Medikamente gebraucht. Auch wenn ich bis heute der im Büro bin, der alle Kugelschreiber zerkaut, immer an irgendwas rumspielt und in kleinen Besprechungen zum Denken ständig aufsteht und rumläuft....




Du erwähnst eine diagnostizierte Hochbegabung. Lass es mich ganz deutlich sagen: Die Kombination ADHS und HB ist sehr anstrengend und gerade in der heutigen Zeit tatsächlich ausgesprochen gefährlich. Das Risiko für Komorbiditäten, insbesondere Depressionen, ist sehr hoch. Die Pubertät kommt, und glaub mir, eine nicht gut eingestellte (nicht zwingend medikamentös, damit meine ich auch: therapeutisch begleitete) ADHS kann den hochbegabten Jugendlichen extrem schnell in Abgründe stürzen, die ihr nicht erleben wollt.

Die HB sorgt nämlich meistens dafür, dass Menschen mit ADHS noch sehr viel länger kompensieren können. Sie funktionieren nach außen hin noch ganz gut, aber im Kopf und in der Seele tobt ein Sturm, der sehr viel Kraft kostet. Die HB macht ja dauerneugierig, sprich, das Gehirn arbeitet leidenschaftlich an allen möglichen Dingen. Die ADHS - eine klassische Reizfilterschwäche - "schickt" dem sowieso schon schwer arbeitenden Gehirn mehr Nachschub zum Denken als ein normgesteuertes Gehirn. Es kommt also zu einer dauernden Überforderung.

Ich wurde erst als Erwachsene diagnostiziert, und alle, die mich nicht wirklich sehr gut kennen, waren höchst erstaunt. Ich bin ohne Medikamente einigermaßen geradeaus durch's Leben gegangen - aber wie es innen aussieht, und was es mich kostet, das sieht man nicht. Aber zu meiner Schulzeit war das Kinderleben auch noch an vielen Punkten "artgerechter", es gab den guten alten Frontalunterricht, klare Aufgabenstellungen, überschaubare Regeln, keine chaotischen Gruppenarbeiten und keine Wochenpläne. Ich konnte ein recht gutes Abitur machen ohne jede Diagnose - heute würde ich nicht einmal mehr auf ein Gymnasium kommen, weil: nicht gruppentauglich, immer ohne Hausaufgaben, viel (körperlich) krank, viel zu still.

Was ich sagen möchte:

Bitte lasst den Jungen rechtzeitig anschauen, und bitte versucht, euch von Vorurteilen zu befreien.

LG, Mandelkern


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15.12.2019 18:54
#7
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Zitat von Zottel im Beitrag #5

Mein Kind ist inzwischen erwachsen. Mich ärgert noch heute, dass mich der Kinder- und Jugendpsychiater im letzten Kindergartenjahr nicht "für voll" genommen hat... da ist einem nämlich im Grunde die Diagnose schon regelrecht ins Gesicht gesprungen. Schade um das verschenkte Jahr. Mein Kind wurde zum Glück Mitte Klasse 1 doch noch diagnostiziert + medikamentös eingestellt. Dadurch blieb ihm mit Sicherheit so einiges an schlechten Erfahrungen erspart. Dennoch war die Schulzeit noch sehr, sehr anstrengend. Das war sehr harte Arbeit. Ich will mir gar nicht vorstellen, wo mein Kind heute - ohne frühzeitige Diagnose - stünde.



Danke, Zottel, für den Hinweis!

Abgesehen davon, dass ich alles, was du geschrieben hast, voll und ganz unterschreibe: Es ist wichtig, die Diagnose von jemandem durchführen zu lassen, der/die Erfahrung mit ADHS hat.

Außerdem werden oft genug gerade die Hochbegabten übersehen. Zwei meiner Kinder waren angeblich einfach nur hochbegabt und unterfordert, und alles sollte sich bessern durch die entsprechenden Angebote, inklusive Klassensprung bei einem Kind, und Früheinschulung mit Sondergenehmigung beim anderen Kind. Das hat nicht nur nicht geklappt, sondern richtig viel wertvolle Zeit gekostet.

Böse gesagt: Auch noch so viel Schachspielen hilft nicht gegen eine ADHS.


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16.12.2019 10:26
#8
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Hallo,

Ich bin hier noch recht neu und unser sechsjähriger hat seine Diagnose auch recht frisch, vieles deutete aber schon mit vier darauf hin.
Unser Sohn ist nicht „klassisch“ auffällig, was ich aber in den letzten zwei Jahren gelernt habe ist dass es ganz viele verschiedene Ausprägungen gibt und grade mit einer hohen Intelligenz können das Kinder gut ausgleichen.
Ich kann dir nicht sagen ob dein Kind ADHSler ist aber den Mut zusprechen eine entsprechende Testung beim KJP zu machen.
Offensichtlich habt ihr einen Leidensdruck und je früher Klarheit herrscht desto gezielter kann man auch helfen.
Noch eins zu Medikamenten: ich denke dass es hier zu viele Vorurteile gibt. Unser Sohn geht noch nicht zur Schule und wir stellen ihn trotzdem schon ein. Er ist ein schlauer Junge der auch viel Sport macht, sprachlich sehr hervor sticht, sich viel Wissen aneignet und lange mit Dingen beschäftigen kann die ihn interessieren. Dennoch hat er die Aufmerksamkeit von einem Käsebrot, zappelt sich so durch den Tag, Stürzt unerwartet weil er versucht in drei unterschiedliche Richtungen gleichzeitig zu laufen, faselt ohne Unterbrechung und hat so seine Probleme mit Gleichaltrigen.... In der Schule hätte er so keine Chance. Natürlich macht es keinen Spaß seinem Kind das zu geben und es ist dann auch nicht gleich alles gut, ich würde es aber auch nicht gleich ausschließen.


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16.12.2019 20:42 (zuletzt bearbeitet: 16.12.2019 20:45)
avatar  _E_V_A_
#9
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Hallo Uwe

Ich sag jetzt einfach mal 'Hallo' denn Du hast ja schon ganz viele Informationen von den alten Hasen des Forums bekommen und ich denke ich kann dem kaum noch etwas hinzufügen,
möchte aber trotzdem sagen, dass ich mich den Vorrednern voll anschließe.

Kümmert euch um einen SPZ oder KJP Termin, die Wartelisten sind lang und euer Junior vermutlich in der 3ten Klasse bis ihr mit der Testung dran bzw. später durch seit.
Und die 3te Klasse ist knallhart für ADHS Kids, da wird soviel Eigenverantwortung und Selbstorganisation vorausgesetzt, zusätzlich zum kräftig anziehenden Schulstoff hätte uns das ohne die Therapie (Medi+Ergo+Verhaltenstherapie) mit Sicherheit das Genick gebrochen.
Ich könnte mir vorstellen, dass ich meinem Junior, trotz relativ ordentlicher Noten, die 3te wiederholen lasse,
da er mit den Anforderungen außerhalb des reinen Lernstoffes ziemlich überfordert ist...

Bei uns hat es übrigens bis zum ersten SPZ Termin knapp 8 Monate gedauert und bis zur Diagnose dann nochmal einige Monate(4-5), bis zum Beginn der medikamentösen Einstellung wiederum einige Wochen und bis zum passenden Medikament in der aktuellen Dosis (an der evtl bald nochmal geschraubt werden sollte) auch eine gefühlte Ewigkeit.
Und dabei hat die Medisuche, laut der Profis hier, gar nicht lange gedauert, bzw war gar nicht so kompliziert wie ich es empfunden habe

Liebe Grüße Eva

...wenn selbst ein Kind nicht mehr lacht wie ein Kind...

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17.12.2019 12:02 (zuletzt bearbeitet: 19.12.2019 10:03)
avatar  Zottel
#10
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Zitat
Kümmert euch um einen SPZ oder KJP Termin, die Wartelisten sind lang und euer Junior vermutlich in der 3ten Klasse bis ihr mit der Testung dran bzw. später durch seit.
Und die 3te Klasse ist knallhart für ADHS Kids, da wird soviel Eigenverantwortung und Selbstorganisation vorausgesetzt, zusätzlich zum kräftig anziehenden Schulstoff hätte uns das ohne die Therapie (Medi+Ergo+Verhaltenstherapie) mit Sicherheit das Genick gebrochen.



Das kann ich unterschreiben.

Zitat
Ich könnte mir vorstellen, dass ich meinem Junior, trotz relativ ordentlicher Noten, die 3te wiederholen lasse,
da er mit den Anforderungen außerhalb des reinen Lernstoffes ziemlich überfordert ist...



Es wird heute sehr viel Wert auf die Softskills (vor allem auf Teamfähigkeit) gelegt - von klein auf. Unsere Kids haben aber eine Entwicklungsverzögerung von bis zu 30%. Da hilft dann auch eine hohe Intelligenz nicht wirklich weiter, wenn man noch große Probleme mit Einsicht/ Weitsicht/ Rücksicht hat. Nach der zehnten Klasse sind die Kids dann oft noch nicht wirklich ausbildungsreif (trotz guter Noten).

Es heißt nicht umsonst ein Kind "großziehen". Bei unseren Kids ist das aber eben ein schmaler Grat. Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht... unsere Kids sind sehr vergesslich, lernen deshalb schlecht aus Erfahrung...haben eine Entscheidungsschwäche... einerseits brauchen sie den "Zug", er darf aber eben nicht zu stark sein... und man kann nicht an allen "Baustellen" gleichzeitig ziehen. Man muss den Mut haben das Kind da abzuholen, wo es steht und man muss Prioritäten setzen. Vergleiche mit Gleichaltrigen bringen einen da nicht weiter. Im Vergleich hinkt man da eben immer hinterher.
In einem Bereich mehr, im anderen Bereich weniger.

Es ist sehr selten, dass es mit Medi dann plötzlich "läuft". Das Medi ist wie eine chemische Brille. Eine Brille ist ein Hilfsmittel - nicht mehr und nicht weniger.


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