Leere Lehrstellen

31.10.2014 11:18 (zuletzt bearbeitet: 31.10.2014 11:20)
#1
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Die Stuttgarter Zeitung titelt heute auf Seite 3:

Leere Lehrstellen
Ausbildung Die Betriebe müssen besser an Schulen informieren, aber auch an anderer Stelle suchen


Schule, Ausbildung - muss ich lesen. Doch gleich der erste Satz des Artikels ließ mich vom Stuhl fallen. Da steht:

Eins steht fest: mit dem "Import" von ausländischen Jugendlichen lassen sich die Lücken am deutschen Lehrstellenmarkt nicht schließen.

Wie bitte?! Mir ist glatt entgangen, dass das kleine "m" nach dem Doppelpunkt ein großes "M" hätte sein müssen, so sehr hat mich der Gedanke, ausländische Jugendliche zu importieren, entsetzt. Ist das hier der Postillion? Ach so, ich bin auf der dritten Seite der StZ, da steht "unten rechts" immer der Satire-Artikel. Vielleicht fängt der ja heute etwas weiter oben an. Nein, der Satire-Artikel steht wie immer unten rechts und nimmt sich heute des GDL-Terrors an, ganz anderes Thema also.

Die nächsten zwei, drei Sätze schildern, weshalb das doch keine so gute Idee ist. Der Autor schließt daraus: Umso wichtiger ist es, dass sich die hiesigen Betriebe darauf konzentrieren, wie sie ihre freien Lehrstellen tatsächlich besetzt bekommen. Ach sooo, es gibt noch jede Menge offene Ausbildungsplätze in Deutschland! Angesichts der aktuellen Lage am Arbeitsmarkt kann es doch nicht so schwer sein, diese Ausbildungsplätze besetzt zu bekommen.

Abschließend rät der Autor, ... auch die stillen Reserven anzuzapfen: Auch der 28-jährige Ungelernte oder die alleinerziehende Mutter haben eine faire Chance verdient; selbst wenn es die zweite oder dritte ist.

Dass alle eine faire Chance verdienen, auch wenn es die zweite oder dritte ist, unterschreibe ich sofort. Es darf auch eine vierte oder fünfte sein. Aber jetzt ist das Kopfkino angesprungen. "... der ... Ungelernte oder die allein erziehende (das schreibt man übrigens in zwei Wörtern, Herr Journalist) Mutter" impliziert, dass auch letztere eine Ungelernte ist ... dies relativiert ja dann - wie der Satzanfang glauben lässt - Ungelernte seien grundsätzlich männlichen Geschlechts.

Was hat eigentlich dieser Artikel hier in unserem ADHS-Forum zu suchen?

Kinder mit ADHS haben es mitunter schwer, in unserem Schulsystem einen Abschluss zu machen. Selbst der Abschluss der Förderschule wird nicht immer erreicht. Und dies nicht etwa, weil sie es kognitiv nicht bewältigen, sondern weil ihnen aufgrund ihrer Verhaltensoriginalität häufig schon eine zweite Chance verwehrt wird, von einer dritten und vierten ganz zu schweigen. Intelligenz und Schulabschluss stehen in überhaupt gar keinem Verhältnis zueinander, auch der Berufswunsch ist nicht immer mit dem Schulabschluss kompatibel.

Selbstverständlich begrüße ich es, wenn Ausbildungsplätze an junge Menschen vergeben werden, deren Schulabschluss schon einige Jährchen zurückliegt. Das war übrigens schon immer so, es war nur bisher nicht erwähnenswert. Was mich hier so furchtbar stört, ist, dass man sich nicht mal ansatzweise die Mühe macht, einmal über die Steine nachzudenken, die unser Schulsystem unseren Kindern (und nicht nur denen mit ADHS) systematisch in den Weg legt.

Ich geh mal die Zeitung in die blaue Tonne werfen, vielleicht hilft das ja.

Kopfschüttelnde Grüße
Susanne

Wenn ein chaotischer Schreibtisch ein Anzeichen für einen chaotischen Geist sein soll, was sollen wir dann von einem leeren Schreibtisch halten? -Albert Einstein-

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31.10.2014 15:43
#2
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Liebe Susanne,

Zitat von SusanneG im Beitrag #1

Selbstverständlich begrüße ich es, wenn Ausbildungsplätze an junge Menschen vergeben werden, deren Schulabschluss schon einige Jährchen zurückliegt. Das war übrigens schon immer so, es war nur bisher nicht erwähnenswert. Was mich hier so furchtbar stört, ist, dass man sich nicht mal ansatzweise die Mühe macht, einmal über die Steine nachzudenken, die unser Schulsystem unseren Kindern (und nicht nur denen mit ADHS) systematisch in den Weg legt.




Das wird noch kommen. Die Beschwerden der Ausbilder darüber, dass sie Azubis haben, die teilweise kaum das frühere Grundschulniveau haben, nehmen drastisch zu. Wundert uns hier natürlich nicht. Jetzt lass die Gemeinschaftsschulen (an Nicht-B-W'ler: das sind NICHT die Gesamtschulen, die es in manchen Bundesländern gibt, sondern es handelt sich um eine geradezu geniale neue Schulform hier - da sind die Lehrer nicht mehr Lehrer, sondern Lernbegleiter - noch Fragen ?), die ja noch weitgehend in den ersten Jahren sind, den Karren endgültig an die Wand fahren, dann steht wieder irgend ein Bildungsguru auf und stellt fest, dass Kinder klare Regeln und eine deutliche Anleitung brauchen - wollen wir wetten ?

Wir als Eltern von ADHS'lern, bzw. unsere Kinder, profitieren davon indirekt: momentan bekommen viel mehr Jugendliche, die noch vor ein paar Jahren keine Chance gehabt hätten, doch noch eine Lehrstelle. Es gibt eben zu wenige Jugendliche und viele "Normalos", die Umwegen gehen mussten, da fallen unsere ADHS'ler nicht mehr so sehr auf. In "meinem" blöden IHK-Magazin, das ich als Selbständige ja zwangsweise beziehe, kommen immer häufiger Hinweise an die Unternehmen, sich doch auch mal Jugendliche mit nicht so ganz "geradem" Lebensweg genauer anzuschauen. Ich habe auch schon irgendwo gelesen, man solle den Azubi wieder mehr als das sehen, was er früher mal war: nämlich ein junger Mensch, der noch nicht "fertig" ist und eben auch vom Betrieb noch eine gewisse Erziehung braucht. Ist ja vollkommen altmodisch, Kinder sind heutzutage viiiiiiiel schneller erwachsen als früher *hüstel*, aber wer glaubt denn noch den Mist, den uns irgendwelche Medien und praxisferne Wissenschaftler ins Gehirn waschen wollen ?

Hier ein Link zu einer Ausgabe, wo es um Ausbildung geht, zwar nicht direkt um "unsere" Kinder, aber es wird doch deutlich, dass die Betriebe sich mehr auf "Sorgenjugendliche" einstellen sollten .

http://www.stuttgart.ihk24.de/linkablebl...i_2014-data.pdf

Also, entärgere dich und freu dich auf morgen (wir sehen uns doch, oder? !

LG, Mandelkern


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31.10.2014 16:31 (zuletzt bearbeitet: 31.10.2014 17:06)
#3
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@Mandelkern: Es ist zwar vielleicht ein Seitenstrang des Themas hier ...

LG, Kugelblitz


Dieser Beitrag von Kugelblitz wurde in den Thread "Für und Wider die Gemeinschaftsschule" verschoben.


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31.10.2014 16:52
#4
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Danke, Mandelkern, für den Link. Der dortige Artikel liest sich doch ganz anders als der Verriss in der Zeitung. Kaum zu glauben, dass es ums gleiche Thema geht! Von dem Artikel habe ich mich längst entärgert, kann mich ja kaum noch dran erinnern .

Selbstverständlich freue ich mich auf morgen - und JA, wir sehen uns!

LG Susanne

Wenn ein chaotischer Schreibtisch ein Anzeichen für einen chaotischen Geist sein soll, was sollen wir dann von einem leeren Schreibtisch halten? -Albert Einstein-


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03.11.2014 07:34
avatar  Zottel
#5
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Zitat
... dann steht wieder irgend ein Bildungsguru auf und stellt fest, dass Kinder klare Regeln und eine deutliche Anleitung brauchen - wollen wir wetten ?



Nun, bleibt zu hoffen, dass das ganz schnell geschieht. Vielleicht haben dann unsere Enkel wieder Spaß an der Schule.

Ich finde diesem Artikel ist nichts, wirklich nichts hinzuzufügen.... meine (altmodische) Meinung....

http://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/lob-der-klasse.html

Grüße

Zottel


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03.11.2014 22:35
avatar  lupa
#6
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Danke, Zottel, für den Link!
Super Artikel!
LIKE!

LG lupa

Ja, ich bin durchgeknallt und nein, ich kann mich nicht mal eben zusammenreißen.

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